Akute lymphatische Leukämie
Neue Strategien zur Reduktion von Transplantationen
Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist mit rund 1.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland eine seltene Erkrankung. Die tiefergehende Analyse zeigte zudem, dass die ALL molekular ausgesprochen heterogen ist. Es gelang, einzelne ALL-Untergruppen abzugrenzen, wobei eine Patientengruppe eine besonders ungünstige Prognose aufwies.
Hintergrund
Bei etwa 25 % aller ALL-Patienten liegt in den erkrankten Blutzellen auf molekularer Ebene eine Fusion von zwei Genen - "BCR" und "ABL" - vor. Diese Genfusion BCR-ABL kann im Laufe des Lebens in den Blutstammzellen auftreten und entsteht rein zufällig, quasi durch einen "molekularen Unfall" und ist ein entscheidendes Ereignis bei der Entstehung der Erkrankung.
Noch in den 1990er Jahren hatte die Mehrheit der BCR-ABL-positiven Patienten bei Behandlung mit Chemotherapie eine sehr ungünstige Prognose: Eine 2003 veröffentlichte Studie zeigte ein Drei-Jahres-Überleben von lediglich 15 %, verglichen mit 47 % bei BCR-ABL-negativen Patienten. Seither konnte die Behandlung erheblich verbessert werden: Mit tumorspezifischen Medikamenten und dem konsequenten Einsatz von Stammzell- bzw. Knochenmarktransplantation stiegt das Fünf-Jahres-Überleben dieser Patienten auf 46 % (Datenstand 2014).
Transplantation als Allheilmittel?
Heute werden die meisten BCR-ABL-positiven Patienten transplantiert. Die dabei notwendige Chemotherapie hat jedoch schwere Nebenwirkungen. Die Patienten befinden sich über viele Monate hinweg in einem extrem immungeschwächten Zustand und sind nicht selten anfällig für lebensbedrohlich verlaufende Infektionen oder Abstoßungsreaktionen. Es wird geschätzt, dass etwa 20 % der transplantierten Patienten an den Komplikationen des Eingriffs sterben. Diejenigen, die überleben, sind häufig dauerhaft erwerbsgemindert oder erwerbsunfähig. Mit weit mehr als 100.000 € ist die Prozedur zudem gesundheitsökonomisch sehr kostenintensiv.
Deshalb wird heutzutage versucht, Transplantationen, möglichst zu minimieren. Die von der Stiftung Medizin geförderte Studie hat geprüft, ob es innerhalb der Hochrisikogruppe der BCR-ABL-positiven Patienten eine Untergruppe gibt, die möglicherweise auch ohne Transplantation geheilt werden kann.
Das IKAROS-Gen (IKZF1)
Dies geschieht mittels einer Analyse des IKAROS-Gens, welches bei vielen ALL-Patienten mutiert ist. In einer älteren Studie wurden die Auswirkungen dieser Mutation untersucht. Es wurde festgestellt, dass es unterschiedliche Mutationen gibt, von denen jedoch nur wenige prognostisch relevant zu sein scheinen.
BCR-ABL-negative Patienten mit gewissen Mutationen des IKAROS-Gens weisen eine signifikant ungünstigere Prognose auf und sollten einer intensivierten Therapie zugeführt werden. Auch ein erheblicher Teil der BCR-ABL-positiven Patienten weist IKAROS-Veränderungen auf, aber doch nicht alle. Es wurde nun untersucht, ob die Gruppe ohne IKAROS-Veränderungen möglicherweise eine bessere Prognose besitzt, als Patienten mit diesen Genveränderungen.
Langfristiges Ziel ist, wirklich nur diejenigen Patienten zu transplantieren, die sonst keine andere Überlebenschance hätten.
Bisheriges Projektergebnis
Mehr als 300 Proben von ALL-Patient*innen konnten bezüglich Veränderungen im Gen IKZF1 ("IKAROS"), die Aufschluss hinsichtlich einer Verlaufsprognose der Krankheit geben könnten, ausgewertet werden. Aktuell läuft noch eine Auswertung der erhobenen Daten in der Studienzentrale der Deutschen Multizentrischen ALL-Therapiestudie in Frankfurt/Main.
Projektinformationen
Partner: Charité - Universitätsmedizin Berlin
Medizinische Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie
Förderung: 2020 bis 2021 - die Projektförderung ist beendet